Filmfestival
Max Ophüls Preis 2010
![]() Das Filmfestival, das nunmehr seit drei Jahrzehnten besteht, präsentiert die ersten Filme junger Regisseure. 2010 war ein sehr guter Jahrgang im Hauptwettbewerb des Festivals.
Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) sagte bei der Eröffnungsfeier des 31. Filmfestivals Max Ophüls Preis 2010: Das Festival werde es auch in Zukunft geben. Die Finanzierung sei gesichert, trotz leerer Kassen. Wenn solche Treueschwüre verkündet werden, verheißt dies oft nichts Gutes. Ist das Filmfestival in der saarländischen Landeshauptstadt etwa gefährdet? Es wäre schade drum. Nicht nur, dass die Veranstaltung sich in der deutschsprachigen Filmszene etabliert hat und zu einem vielbesuchten Treffpunkt von Filmemachern wurde, im Mittelpunkt des Festivals stand 2010 auch ein starker Wettbewerb. 15 Langfilme waren dort vertreten, und kaum einer enttäuschte. Im Gegenteil: Die jungen Regisseure haben viele überzeugende bis hervorragende Filme ins Rennen geschickt.
Was bewegt die jungen Filmemacher, welche Sujets wählten sie für ihre ersten Filme in Zeiten der Wirtschaftskrise und der sozialen Unsicherheit? Auffallend häufig schickten sie ihre Protagonisten auf Selbstverwirklichungs- bzw. Selbstfindungstrips. Oder sie ließen die Filmfiguren um ihr nacktes Leben kämpfen. In einem der Filme war die Hauptfigur, ein junger Mann, im Gefängnis und will nun alles dafür tun, nicht mehr hinein zu müssen, weil er dort erneut zum misshandelten Opfer anderer Häftlinge würde ("Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung"). Die junge männliche Hauptfigur eines anderen Wettbewerbsfilms sitzt im Gefängnis, den ganzen Film lang – und wird als Neuling zunächst ein Opfer von Gewalt, bis sich das Blatt zu Ungunsten eines anderen wendet ("Picco"). In einem weiteren Wettbewerbsfilm lebt ein spießiger Bankangestellter ein anständiges Leben, bis er dies nicht mehr aushält – und beginnt, Straftaten zu begehen ("Schwerkraft"). Gleich drei Filme des Wettbewerbs beschäftigten sich also damit, wie es Menschen ergeht, wenn sie kriminell werden. Alle drei Filme wurden ausgezeichnet, der letztgenannte, "Schwerkraft", mit dem wichtigsten Preis des Festivals.
Maximilian Erlenwein erhielt für "Schwerkraft" schon einmal eine Auszeichnung, im August 2009 den deutschen Nachwuchsfilmpreis First Steps Award in Berlin. Nun kam der Max Ophüls Preis hinzu, sowie der Drehbuchpreis des Festivals, den eine andere Jury verleiht. Die beiden Darsteller Nora von Waldstätten und Fabian Hinrichs erhielten ebenfalls Auszeichnungen, von Waldstätten als Beste Nachwuchsdarstellerin, Hinrichs einen Sonderpreis für seine schauspielerische Leistung. Der deutsche Kinostart von "Schwerkraft" ist bereits angekündigt für den 25. März 2010. Nur ein zweiter Wettbewerbsfilm hat bislang ebenfalls einen deutschen Kinostart: "Waffenstillstand" von Regisseur Lancelot von Naso soll am 1. April 2010 in den Kinos anlaufen. "Waffenstillstand" ging bei der Preisverleihung in Saarbrücken zwar leer aus, ist aber ein geschickt inszenierter Film über die Gefahren, die der Irak-Krieg nicht nur für Soldaten und Zivilisten, sondern auch für Ärzte und Reporter bedeutet. Der Film spielt im Jahr 2004, also kurz nach dem Ende des offiziellen Krieges. Für ein paar Stunden herrscht im umkämpften Falludscha Waffenruhe. Eine Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation (Thekla Reuten) und ein französischer Arzt (Matthias Habich) machen sich von Bagdad auf den Weg nach Falludscha. Mit ihnen reisen zwei Journalisten (Max von Pufendorf, Hannes Jaenicke) auf der Suche nach einer Exklusivstory. "Waffenstillstand" zeigt die Sinnlosigkeit des Krieges. Die vier Europäer sind während der Fahrt sämtlichen nur denkbaren Gefahren ausgesetzt. Nicht alle werden nach Bagdad zurückkehren.
In einem anderen Wettbewerbsfilm, "Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung", war es für die männliche Hauptfigur ebenfalls unerträglich, im Jugendknast einsitzen zu müssen. Der junge Mann, Tommy, war dort "Opfer" – so steht es nun auch eintätowiert auf seiner Hand. Dass er wieder Prügel im Gefängnis einstecken muss, soll nicht nochmal vorkommen. Tommy wird hervorragend gespielt von Jacob Matschenz, der in Saarbrücken wohl einen Rekord aufgestellt hat: Kein anderer Schauspieler war so häufig in Max-Ophüls-Preis-Wettbewerbsfilmen vertreten. Den Anfang machte 2005 der Film "Das Lächeln der Tiefseefische", für den Matschenz damals als Bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet wurde. Der neueste Film, "Bis aufs Blut" von Regisseur Oliver Kienle, handelt von jungen Drogendealern, von denen Tommy nach seiner Knasterfahrung aussteigen will – aber die Clique ihn nicht lässt. Der Film ist bunt, schrill, manchmal zu schrill, voller HipHop-Musik, garniert mit Flüchen ohne Ende – "Ein Film, der unseren Wortschatz enorm erweitert hat", bekannte die Schülerjury, als sie dem Film ihren eigenen Preis übergab. Es blieb nicht bei dieser Auszeichnung: Der Film erhielt auch den Publikumspreis, und die Hauptjury, bestehend u.a. aus den Regisseuren Simon Verhoeven, Marco Kreuzpaintner, Thomas Imbach und Vorjahressieger Thomas Woschitz, unterstützte "Bis aufs Blut" mit einer Verleihförderung in Höhe von 9000 Euro. Der gleiche Preis ging an den Film "Die Entbehrlichen", das Regiedebüt des Schauspielers Andreas Arnstedt. Wie in "Bis aufs Blut" sind auch hier die Protagonisten dem Prekariat zugehörig. Der 12-jährige Jakob (Oskar Böckelmann) verliert seinen Vater (André Hennicke) durch Selbstmord. Da sonst niemand davon weiß, versteckt Jakob die Leiche hinter dem Sofa, um nicht ins Kinderheim zu müssen. Clever springt Andreas Arnstedt mit der Zeit um: Der Zuschauer weiß nie, ob gerade eine Szene gezeigt wird, in der der Vater noch lebt oder tot im Wohnzimmer liegt. Manchmal trägt Arnstedt zu dick auf, hat man den Eindruck, wenn er die Familie um Jakob und seine Eltern beim alltäglichen Umgang miteinander beobachtet, wenn sich die Eltern wieder dem Alkohol hingeben. Und Filme über Menschen aus den sogenannten bildungsfernen Schichten hat man in den letzten Jahren zur Genüge gesehen, das Thema nutzt sich ab. Doch "Die Entbehrlichen" glänzt durch seine Qualität und seine Idee, aus einer wahren Begebenheit einen interessanten Film zu machen.
Die meisten der jungen Regisseure haben 2010 bewiesen, dass sie ihr Handwerk beherrschen und ein Gespür für relevante Themen haben. Mit ihren Filmen machten sie das Filmfestival Max Ophüls Preis in diesem Jahr zu einem Ereignis. Der Luxemburger Produzent Paul Thiltges, Mitglied einer Jury, sagte: "Saarbrücken kann mit diesem Festival glücklich sein." Der Mann hat Recht.
alle Preisträger 2010:
Max Ophüls Preis: Schwerkraft Regie: Maximilian Erlenwein Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten: Picco Regie: Philip Koch Beste Nachwuchsdarstellerin: Nora von Waldstätten (Film Schwerkraft) Bester Nachwuchsdarsteller: Sebastian Urzendowsky (Kurzfilm Die blaue Periode) Sonderpreis Schauspiel 2010: Fabian Hinrichs (Film Schwerkraft) Verleihförderung von je 9000 Euro zu gleichen Teilen an: Bis aufs Blut - Brüder auf Bewährung Regie: Oliver Kienle und Die Entbehrlichen Regie: Andreas Arnstedt SR/ZDF-Drehbuchpreis: Schwerkraft Regie: Maximilian Erlenwein Publikumspreis: Bis aufs Blut - Brüder auf Bewährung Regie: Oliver Kienle Preis der Schülerjury: Bis aufs Blut - Brüder auf Bewährung Regie: Oliver Kienle Kurzfilmpreis: Schonzeit Regie: Irene Ledermann Filmmusikpreis der Saarland Medien GmbH: Plato's Academy Musik: Nikos Kypourgos, Regie: Fillipos Tsitos Interfilmpreis: Suicide Club Regie: Olaf Saumer Preis für Mittellange Filme: Rammbock Regie: Marvin Kren Dokumentarfilmpreis: zu gleichen Teilen an: My Globe Is Broken In Rwanda Regie: Katharina von Schroeder und Nirgendwo.Kosovo Regie: Silvana Santamaria Förderpreis der DEFA-Stiftung: Lourdes Regie: Jessica Hausner
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