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Filmfestival
Max Ophüls Preis
2008


von Michael Dlugosch


Festivalplakat Max Ophüls Preis 2008; Quelle des Fotos: max-ophuels-preis.de Vom 14. bis 20. Januar 2008 fand zum 29. Mal das Filmfestival Max Ophüls Preis statt. Hauptpreisträger war diesmal Regisseur André Erkau mit seinem Langfilmdebüt, dem Ensemblefilm "Selbstgespräche". Schon 2006 gewann Erkau zwei der Saarbrücker Auszeichnungen, unter anderem den Kurzfilmpreis für "37 ohne Zwiebeln". "Selbstgespräche" hat sich den Preis höchstens mangels besserer Alternativen verdient. Zu brav, ohne Schwung kommt Erkaus Komödie um beruflich in einem Call Center gestrandete Menschen daher.
2008 war ein insgesamt schwacher Jahrgang für den renommierten Wettbewerb von der Saar.

Peter Lohmeyer zertrümmerte auf der Bühne sein Handy. Der Schauspieler ("Das Wunder von Bern") führte nun zum vierten Mal durch die Preisverleihung des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Und die Gelegenheit nutzte er, um sich vor dem Publikum mit den von Entlassung Bedrohten der Nokia-Werke Bochum zu solidarisieren. Also flog an dem Samstagabend im Saarbrücker Staatstheater ein Handy zu Boden.

Tragik mit im Ansatz humoristischer, jedenfalls in ihrer Wirkung staubtrockener Gegenreaktion zu verbinden - es sollte zu einem der Leitmotive für die Wettbewerbsfilme 2008 werden.
In der Komödie "Monogamie für Anfänger" (Regie: Marc Malze) erfährt eine junge Frau zwischen standesamtlicher und kirchlicher Hochzeit vom Betrug des Gatten. Scheinbar verzeiht sie ihm, nur um am Tag nach der kirchlichen Trauung, die nicht mehr abgesagt werden konnte, sofort ein Zeichen zu setzen und die Scheidung einzureichen.
Jacob Matschenz und Claudia Michelsen im Film 42 plus; Quelle des Fotos: 42plus-derfilm.atEin Zeichen setzt auch Christine (Claudia Michelsen) in "42 plus" von Regisseurin Sabine Derflinger, dem einzigen österreichischen Wettbewerbsbeitrag. Gegenüber Ehemann (Ulrich Tukur) und Ex-Geliebtem (Tobias Moretti), die sie beide nicht gut genug behandelt haben, steht Christine nach einigem Hin und Her zu ihrem neuen Liebhaber (Jacob Matschenz), der weniger als halb so alt ist wie sie selbst. Tamaz weiß um seine Rolle als zwischenzeitliches erotisches Spielzeug Bescheid, während die Älteren sich im Lügengeflecht des bunten Reigens - keiner von ihnen ist ohne Seitensprung - heillos verheddert haben, bis Christine reinen Tisch macht.

In Lügen verstrickt sich Mel (Anjorka Strechel) in "Mein Freund aus Faro" ebenfalls, und ebenfalls aus Liebe. Gegenüber Vater und Bruder spielt sie die in einen Portugiesen Verliebte; sie selbst erlebt gerade ihr lesbisches Coming Out. Noch nicht kompliziert genug? Das angebetete Mädchen hält die androgyn Auftretende für einen jungen Mann - aus dem portugiesischen Faro. Die Irrungen und Wirrungen der Komödie waren der SR/ZDF-Drehbuchjury ihre Auszeichnung wert.

Komödien waren rar gesät, zu lachen hatten die Zuschauer im diesjährigen Wettbewerb wenig, darauf wiesen die beiden künstlerischen Leiter Gabriella Bandel und Philipp Bräuer schon im Vorfeld des Festivals hin. Die wenigen Komödien waren stets an einen tragischen Aspekt gebunden. Kein Film stand dafür so sehr wie der Gewinnerfilm "Selbstgespräche", genauso wie er für die diesjährige Durchschnittlichkeit des Wettbewerbs exemplarisch war.

Antje Widdra und Maximilian Brückner im Film Selbstgespräche; Quelle des Fotos: Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion Wer hat es nicht schon mal erlebt: Die täglichen Anrufe aus Call Centern mit ihren lästigen Verkaufs- und Vertragsvermittlungsgesuchen. Jüngst hat der gerne undercover ermittelnde Schriftsteller Günter Wallraf über seine Zeit in einem Call Center in einem Buch berichtet. Einen gelungenen Scherz erlaubt sich daher Regisseur André Erkau: Wallraf ist im Call Center, in dem der Film spielt, für Sekundenbruchteile zu sehen.
Ein Mikrokosmos für sich ist dieses Call Center um den Chef (August Zirner), der seine Verkäufersprache ins Privatleben mitnimmt, bis ihm die Frau wegläuft. Sascha (Maximilian Brückner), neu im Team, hält sich für unersetzlich in seinen verschiedenen Jobs und bei seiner schwangeren Freundin, bis ihm alles um die Ohren fliegt. Adrian (Johannes Allmayer) ist das große Kommunikationstalent des Teams - am Telefon. Privat meidet er Menschen. Bis sich Sascha seiner annimmt und ihn zu näherem Kontakt zu einer Kundin treibt. Marie (Antje Widdra) schließlich wurde von ihrem Freund zusammen mit dem gemeinsamen Kind sitzengelassen.
Sie alle führt Regisseur Erkau in seinem Film zusammen, aber in die Tiefe geht der Film nicht - zu viel hat sich Erkau für sein Langfilmdebüt, das auf dem Niveau eines besseren Fernsehfilms ist, vorgenommen. Schnelle Schnitte zwischen den einzelnen Episoden stören einen sauberen Erzählfluss. Die Hauptjury fand sich in "Selbstgespräche" wieder "mit unseren Unsicherheiten und Ängsten, aber auch mit unseren Träumen und Sehnsüchten".

Die wenigen Komödien wurden begleitet von Dramen, in denen es nichts zu lachen gab. Beispielsweise "Höhere Gewalt" von Regisseur Lars Henning Jung, ein Film, der voraussichtlich nicht unter 18 Jahren freigegeben wird. Sechs junge Leute fahren übers Wochenende in ein düsteres Landhaus am See. Zu fünft werden sie am Ende wieder abfahren. Dazwischen liegen Auseinandersetzungen voll abstoßender, roher Gewalt. Die Schülerjury verlieh diesem Film ihre Auszeichnung, sowie die 19-jährige Jungdarstellerin Alice Dwyer prämiert wurde, für ihre Rollen in diesem Film und in einem weiteren Wettbewerbsbeitrag, "Die Tränen meiner Mutter".

In "Mondkalb" von Sylke Enders, die sich mit "Kroko" (2003) bereits einen Namen gemacht hat, wird man einmal tote Ferkel sehen. Der 12-jährige Tom wird sich um die Kadaver kümmern. Das Tote zieht ihn an, da seine Mutter vier Jahre zuvor den Freitod durch Erhängen wählte. Tom sehnt sich nach einer intakten Familie, denn Vater Piet (Axel Prahl) kann die Mutter nicht ersetzen. Deshalb belästigt Tom die neu hinzugezogene Alex (Juliane Köhler) so lange, bis diese sich öffnet. Aber ist sie für Piet die Richtige? Alex war im Gefängnis. Auf ihren Mann hatte sie einen Mordanschlag verübt. Und auch Piet hat eine gewalttätige Seite.
Die Grundidee von "Mondkalb" ist gut, aber gefolgt wird sie von einer Umsetzung, die unglaubwürdige, hölzerne Drehbuchsätze auf der Leinwand zulässt.

Tristesse und Gewalt auch in den drei Dokumentarfilmen des Wettbewerbs: Eine junge Frau, die sexuell immer wieder ausgenutzt worden war, beging Selbstmord. "Zuletzt befreit mich doch der Tod" (Regie: Beate Middeke) begibt sich auf ihre Spuren, aber der Dok-Film kann die Tote und ihren grausamen Lebensweg nicht näherbringen.
Ebenso auf Distanz bleibt "Der Pfad des Kriegers" von Andreas Pichler. Ein junger Theologe verließ Anfang der achtziger Jahre seine Heimat Tirol, um in Bolivien zu missionieren. Er starb im Kugelhagel der Polizei, nachdem er sich dem bewaffneten Widerstand angeschlossen hatte.
Den wohl besten Wettbewerbsbeitrag hat Alexandra Westmeier mit "Allein in vier Wänden" inszeniert. Es drückt sich auch in der Preisverleihung aus, er erhielt die Auszeichnung für den Besten Dokumentarfilm sowie den zweitwichtigsten Preis des Festivals, den Preis des saarländischen Ministerpräsidenten.
Die Regisseurin besuchte im Ural ein Kindergefängnis; ein Filmthema, das aktueller nicht sein könnte durch die im Januar 2008 vom hessischen Ministerpräsidenten angestoßene Debatte, neben Jugendlichen auch gewalttätige Kinder in Gefängnisse zu sperren. Hier, ausgerechnet im Gefängnis dürfen die elf- bis 14-Jährigen erstmals einigermaßen Kindheit erfahren.

"Allein in vier Wänden" war mit seiner Qualität beim Festival eine Ausnahme. "Der Charme des Unperfekten", den die für die eigentliche, erkrankte Festivalleiterin Birgit Johnson eingesprungenen Gabriella Bandel und Philipp Bräuer in der Eröffnungsveranstaltung ausgemacht haben, der für die ersten, zweiten und dritten Spiel- und Dokumentarfilme von Nachwuchsregisseuren gilt - er war diesmal nicht da. Das Unperfekte überwog, leider uncharmant.

 

alle Preisträger 2008:


Max Ophüls Preis:
Selbstgespräche
Regie: André Erkau

Filmpreis des Saarländischen Ministerpräsidenten:
Allein in vier Wänden
Regie: Alexandra Westmeier

Dokumentarfilmpreis:
Allein in vier Wänden
Regie: Alexandra Westmeier

Beste Nachwuchsdarstellerin:
Alice Dwyer (Filme Höhere Gewalt / Die Tränen meiner Mutter)

Bester Nachwuchsdarsteller:
Jörg Pohl (Film Nichts geht mehr)

SR/ZDF-Drehbuchpreis:
Mein Freund aus Faro
Regie: Nana Neul

Publikumspreis:
Novemberkind
Regie: Christian Schwochow

Preis der Schülerjury:
Höhere Gewalt
Regie: Lars Henning Jung

Kurzfilmpreis:
Dunkelrot
Regie: Frauke Thielecke

Filmmusikpreis der Saarland Medien GmbH:
Selbstgespräche
Musik: Dürbeck & Dohmen

Interfilmpreis:
Hello Goodbye
Regie: Stefan Jäger

BMW Group Förderpreis Film (Mittellange Filme):
Böse Bilder
Regie: Stefan Schaller

Förderpreis der DEFA-Stiftung:
Nur ein Sommer
Regie: Tamara Staudt




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"Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch..."

Schauspieler und Komiker Karl Valentin

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